Konzeption und Gestaltung eines Erinnerungsortes am Bunker in der Pallasstraße - ein Projekt von Schülerinnen und Schülern der Sophie-Scholl-Schule

1943-1945 waren in der Augusta-Schule, heute Sophie-Scholl-Oberschule, sowjetische Zwangsarbeiter untergebracht. Sie mussten im Auftrag der Firma Holzmann den nahe gelegenen Fernmeldebunker in der Pallasstraße bauen.

Schülerinnen und Schüler der Sophie-Scholl-Oberschule setzen sich seit einigen Jahren mit der Geschichte des Ortes auseinander. Die erste Arbeitsgemeinschaft Kunst/Geschichte hat in den Jahren 2000/2001 einen Erinnerungsort am Bunker konzipiert. Die nachfolgenden Arbeitsgemeinschaften haben Ausstellungen im Bunker durchgeführt, in den Ausstellungen haben sie eigene künstlerische Arbeiten gezeigt, die sich auf den Ort und die Geschichte bezogen.

Bunker

AcrylglastafelZitat

„Innen -  Außen“, Ausstellung im Bunker am 29.6. und 2.7.2008

Darinka Antic, Magdalena Arndt, Paula Bergemann, Sabrina Baschinski, Camila Clavijo Rincon, Jonas Darley, Ronja Ditzel, Frédéric Forio, Camilla Goecke, Jana Gowik, Aileen Herlemann, Helena Hillig, Jessica Koch, Linda Lebeck, Ellen von Lengerke, Anton Mährlein, Pablo Melotta, Iael Montenegro-Kellinghusen, Muriel Most, Alice Sare Özserin, Jelena Renner, Montana Sawallisch, Friederike Schmidt, Viola Schmidt, Lisa Urban (Schülerinnen und Schüler der zehnten, elften und zwölften Jahrgngsstufe), Mats Mojem (ehemaliger Schüler),
Andrea Busse und Bodo Förster (Lehrer)

In der Ausstellung waren Installationen zu sehen, die sich auf den Ort, den Bunker, dessen Geschichte und Architektur bezogen. Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit der Schülerinnen und Schüler war die Auseinandersetzung mit dem Thema „Innen – Außen“ und die eigene Wahrnehmung des Ortes. Bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen kombinierten die Schülerinnen und Schüler Gegenstände, Alltagsmaterialien, Fotos, eigene Filmaufnahmen, Musik und/oder selbst hergestellte Objekte, um ihre Auseinandersetzung mit dem Thema „Innen – Außen“  und dem Ort darzustellen  und eine bestimmte Wirkung zu erzeugen. Viele Objekte entstanden aus Gipsabnahmen von Körperteilen oder ganzen Figuren, deren Form und/oder Farbe künstlerisch verfremdet wurden.
Die künstlerischen  Arbeiten entstanden in der AG Geschichte/Kunst, im Profilkurs Kunst und einige Projekte sind Teil einer Prüfung, entweder für den MSA (zehnte Klasse) oder als fünfte Prüfungskomponente im Abitur (zwölfte Jahrgangsstufe).

Katalog zur Ausstellung

Presse

Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin

Berliner Morgenpost
Düstere Vergangenheit

Der Stichel
Fragen und Erinnerungen

Berliner Zeitung
Ein Stahlband symbolisiert den Lagerzaun

taz Berlin
In Beton gegossene Erinnerung

Schöneberger Morgen
"Die Kälte friert einen ein..."

Der Tagessspiegel
Ein Denkmal für Maria und Wassilij

Förderpreis - Praktisches Lernen

Urkunde - Demokratisch Handeln

„HEIMAT“, Ausstellung im Bunker vom 10.6.-16.6.2006

Arbeitsgemeinschaft 2005/2006:
Lucie Iser, Mats Mojem, Saskia Nolte, Lucia Fuchs, Charlotte Roth, Marlene Buthenhoff, Sarah Ben Bernou, Dennis Heinrich, Jonas Attner, Lili Brandt, Ferdinand Kühn, Nina Beer (Schülerinnen und Schüler der elften und zwölften Jahrgangsstufe),
Andrea Busse und Bodo Förster (Lehrer)


„KLÄNGE  IM  BETON“, Ausstellung im Bunker vom 23.4. - 31.4.2004

Arbeitsgemeinschaft 2003/2004:
Laura Valdivia Caprio, Esther Fiebig, Nora Keshishzadeh, Nadine Lohse, Paul Kaspar Lunow, Alexandre Peschel, Ramon von Roon, Jara Steinmetz, Patricia Weber und Robin Weber (Schüler/innen der zehnten und zwölften Jahrgangsstufe),
Bodo Förster und Andrea Busse (Lehrer),
Ute Safrin (Künstlerin)

Im Hochbunker in der Pallasstraße waren während der Ausstellung sechs Klanginstallationen zu hören und zu sehen. Die temporären künstlerischen Arbeiten bezogen sich auf den Ausstellungsort, auf dessen Geschichte, Wirkung und Atmosphäre. Zur Ausstellung wurden als Zeitzeuginnen Olga, Lydia und Walentina Besgina aus der Ukraine eingeladen, deren Eltern den Bunker errichten mussten und die damals als Kinder im Gebäude unserer Schule interniert waren. Mit der Ausstellung wollten die Schüler/innen an das Unrecht, das den damaligen Zwangsarbeiten und ihren Familien widerfahren ist, erinnern.
Die Schüler/innen der Arbeitsgemeinschaft haben sich die künstlerischen Arbeiten selbst ausgedacht und umgesetzt. Einmal in der Woche traf sich die Gruppe außerhalb der Unterrichtszeit. In den ersten Treffen fanden verschiedene Übungen und Experimente statt. Zum Beispiel wurde eine Klangkunstperformance nachgespielt und die Schüler/innen probierten aus, mit unterschiedlichen Gegenständen, wie z.B. Gläsern, oder ihrer Stimme im Bunker Klänge zu erzeugen. Die Schüler/innen gingen auch auf die Suche nach Geräuschen, nahmen z.B. das Brummen der Belüftungsanlage des Bunkers, das Tropfen des Wasserhahnes oder den Hall von Schritten in den großen Räumen auf. In einer Übung des Kreativen Schreibens fanden die Schüler Worte, mit denen sie ihre Wahrnehmung des Bunkers ausdrückten. Die erzeugten und gefundenen Geräusche und Worte wurden aufgenommen. Historische Aufnahmen und aufgezeichnete Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern wurden herausgesucht. In verschiedenen Übungen lernten die Schüler/innen ein Computerprogramm anzuwenden, mit dem sie die Klänge zusammenschneiden und verändern konnten. Zu zweit entwickelten die Schüler/innen Ideen für eigene Klanginstallationen, die Aufnahmen aus den Übungen und Experimenten wurden hierbei ganz unterschiedlich aufgegriffen und verwendet. Mit viel Engagement setzten die Schüler/innen nun ihre Ideen um, machten Interviews, erzeugten gezielt Geräusche, wählten Ausschnitte aus historischen Aufnahmen und fügten diese Klänge am Computer zu einer Klangcollage zusammen. Ausgehend von den Klangcollagen entwickelten die Schüler/innen Installationen. Verwendet wurden Gegenstände, Fotos, verschiedene Lichtquellen und Lautsprecher, zwei Schüler drehten ein Video.
Die Themen der Klanginstallationen waren unsere Vorstellung der Vergangenheit, die heutige Wahrnehmung des Gebäudes, die Erinnerungen von Zeitzeug/innen, die gesellschaftliche und politische Situation 1945 und die Verbindung zwischen Schule und Bunker.
Die Ausstellung und der Besuch der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen wurden von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gefördert.


„Täter – Opfer“, künstlerische Arbeiten und Aktionen am Erinnungsort im Mai 2002

Die Arbeitsgemeinschaft 2001/2002:
Lene Albrecht, Julius von Bismark, Jasmin El-Aama, Susanna Glitscher, Sarah Holl, Nora Keshishzadeh, Nadine Lohse, Beatrix Olhagaray, Dominik Serke (Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Kunst sowie der 10. und 11. Jahrgangsstufe),
Andrea Busse und Bodo Förster (Lehrer),
Cristina Artola (Künstlerin)

Der von den Schülerinnen und Schülern festgelegte Schwerpunkt der Ausstellung war die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Diese wurde über eine Auseinandersetzung mit der Frage „Wer bezeichnet sich selbst als Täter, wer als Opfer?“ untersucht. Im November 2002 haben die Schüler in den Hackeschen Höfen die künstlerische Aktion „TÄTER –OPFER“ durchgeführt. Passanten sollten sich spontan entscheiden, ob sie sich eher als Täter oder Opfer fühlen. Sie wurden entweder mit dem Schriftzug „Täter“ oder mit dem Schriftzug „Opfer“ fotografiert und zu ihren Überlegungen befragt. Die Fotoaufnahmen und die Interviews waren in der Aktionswoche Ausgangsmaterial für weitere künstlerische Arbeiten.
Der thematische Schwerpunkt der Aktionswoche, die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit, führte darüber hinaus zu einer Auseinandersetzung mit der extremen Architektur des Bunkers und des Pallasseums und den Menschen, die damals dort lebten und heute dort leben. Die Schüler erstellten selber umfangreiches Fotomaterial und suchten in Archiven nach historischen Aufnahmen. Das erstellte Fotomaterial war die Grundlage für die in der Aktionswoche (5. – 12. Mai 2002) ausgestellten künstlerischen Arbeiten:
Auf dem Gelände vor dem Bunker (dem „Ort der Erinnerung“) wurden vier verschiedene 10 x 0,9 m große „Banner“, Collagen aus Foto- und Textmaterial, ausgestellt. Die „Banner“ wurden von den Schülern konzipiert. Im Bunker waren zwei Videoinstallationen zu den Themen „Extreme Architektur“ und „Menschen am Bunker“ zu sehen. Während der Aktionswoche haben die Schüler die Aktion „TÄTER –OPFER“ auf dem Winterfeldplatz wiederholt, auch die Ergebnisse wurden im Bunker ausgestellt. Zur Ausstellung wurde der ehemalige Zwangsarbeiter Wassily Derewjanko eingeladen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme kam jedoch dessen Nichte mit ihrem Sohn.
Die Ausstellung wurde mit Geldern des Quatiersfonds Schöneberg-Nord finanziert.

Ab dem 8. Mai 2002 fand im Schöneberg Museum die Ausstellung „Zwangsarbeit in Berlin“ statt, in der bereits das Projekt vorgestellt wurde. Die Schüler der AG haben sich im Bei-programm engagiert. Die Dokumentation erfolgte darüber hinaus durch die Einrichtung eines umfangreichen Archivs.

„Fragen und Erinnerungen“ - Die Gestaltung des Erinnerungsortes

Die Arbeitsgemeinschaft 2000/2001:

Ashraf Ahmed, Rebecca Conrad, Gary Lünemann, Karolina Kolmas, Katharina Paar, Sarah Rosowski, Katharina Wollmann, Jana Wels, Julia Zieger (Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Kunst oder Politik der Sophie-Scholl-Oberschule),

Andrea Busse (Assessorin des Lehramts, Fächer: Bildende Kunst, Sozialkunde),
Bodo Förster (Studiendirektor, Fächer: Geschichte, Politische Weltkunde, Erdkunde),
Cristina Artola (Künstlerin)

Im Zeitraum von Februar 2000 bis Februar 2001 haben Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Kunst oder Politik im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft eine Konzeption entwickelt, wie durch künstlerische Veränderungen im öffentlichen Raum am Bunker ein „Ort der Erinnerung“ entstehen kann. Die Arbeitsgemeinschaft hat sich wöchentlich getroffen, Ideen skizziert, verworfen, recherchiert, Modelle gebaut, diskutiert. Das Ergebnis der Auseinandersetzung wurde realisiert, die Installation der Kunstobjekte erfolgte im Rahmen von Wohnumfeldversbesserungsmaßnahmen des Quartiersmanagements Schöneberg-Nord ab Frühjahr 2002. Die Schülerinnen und Schüler dieser Arbeitsgemeinschaft haben 2001 die Schule verlassen.

Die künstlerische Gestaltung des Erinnerungsortes

Ähnlich wie eine niedrige Mauer führt eine Begrenzung aus Metall entlang des Bürgersteiges der Pallasstraße vom Schulgebäude bis zum Bunker und “versinkt” dabei am Bunker im Boden. Sie hat den gleichen Farbton wie das Blau des Ostaufnähers, den die Zwangsarbeiter tragen mussten. Das architektonische Element symbolisiert sowohl die ehemalige Lagerbegrenzung als auch die Verbindung zwischen Schule und Bunker. Der ehemalige Bauzaun wird gedanklich nachgelaufen. Der vorher nicht zugängliche Bereich vor dem Bunker wird betretbar. Auf der Begrenzung steht ein Text, der im Stehen und Vorbeilaufen lesbar ist. Es handelt sich um Fragen und Aussagen von Schülern zum Bunker, die in einer Schülerumfrage ermittelt wurden.

Den Fragen und Aussagen der Schüler werden die Zitate von Zeitzeugen gegenübergestellt. In lesbarer Höhe sind rund um den Bunker auf kleinen Tafeln aus Acrylglas die Gedanken von Zeitzeugen für den Beobachter sichtbar. Die Gedanken schwirren um den Bunker. Die Texte stammen aus Berichten und Aussagen von Zwangsarbeitern, die zwischen 1943 und 1945 im Lager gelebt haben. Zum Lesen der Zitate muß der Betrachter sehr nah an den Bunker herantreten.


Chronik