Porträt Dora Philippson
Dora Philippson ist eine von mindestens acht verfolgten Lehrkräften der heutigen Sophie-Scholl-Schule. Ihr Lebensweg führte sie von Bonn über Schöneberg in das Ghetto Theresienstadt und wieder zurück nach Bonn.
16.03.2020 - von Bodo Förster
Dora Philippson wurde am 17. November 1896 in Bonn geboren. Ihr Vater, Alfred Philippson, war Professor für Geographie und ein angesehener Experte für Griechen-land. Dora studierte Mathematik und Natur-wissenschaften und machte im November 1920 ihr Staatsexamen. Sie beendete ihr Referendariat in Berlin und begann als Studienassessorin an der Fontane-Schule in Berlin-Schöneberg zu unterrichten. Ab April 1928 war sie Studienrätin mit den Fächern Mathematik, Physik und Chemie an der Deutschen Oberschule in Berlin--Mariendorf und ab Februar 1933 unterrichtete sie an der Staatlichen Augusta-Schule (heute Sophie-Scholl-Schule) in der Elßholzstraße in Berlin-Schöneberg.
Noch im selben Jahr machte der Schulleiter in einem Bericht in nationalsozialistischer Terminologie die Angabe, dass drei Studienassessor*innen aufgrund des »Arier-paragraphen« (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums) die Schule verlassen mussten. Darunter auch Dora Philippson, die daraufhin nach Bonn zurückkehrte.
Am 15. Juni 1942 wurde die Familie Philippson in Güterwaggons von Köln in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Anfangs war sie in der sogenannten »Hannover-Kaserne« unter katastrophalen Bedingungen untergebracht. Über die ersten Tage in Theresienstadt berichtete die Tochter: »Die 1. Nacht in dieser Umgebung war unsagbar. Man bekam zwar noch etwas Wassersuppe abends und es geisterten die ganze Nacht über Helfer und Helferinnen mit ihren Kerzchen herum, aber zu helfen war wenig. Vater kriegte einen Schüttelfrost und hohes Fieber … Am Morgen fand die Gepäckrevision statt durch die tschechische Gendarmerie, … zuerst wurde verlesen, wie man sich bei Eintritt der SS zu benehmen hätte … Mit dem jun-gen (Herrn) Honig haben wir auch gute Freundschaft gehalten, bis er mit Frau und 4-jährigem Bübchen durch die Gasöfen von Auschwitz wandern musste. Nach ein paar Tagen spielte sich das Leben ein.«
Ab Oktober 1942 wohnte die Familie Philippson in einem eigenen kleinen Raum. Diese »Erleichterungen« waren dem schwedischen Asienreisenden Sven Hedin zu verdanken, der mit dem Vater Alfred Philippson in Berlin Geographie studiert hatte. Hedin sympathisierte mit den Nationalsozialisten und war mit einigen Ministern befreundet. Er soll in einem Brief an Hitler seine Stellung zu Deutschland von Alfred Philippsons Schicksal ab-hängig gemacht haben.
Am 3. Mai 1945 befreite schließlich die Rote Armee das Lager Theresienstadt und am 10. Juli 1945 war die Familie wieder in Bonn. Persönliche Unterlagen waren von der nationalsozialistischen Verwaltung vernichtet worden, sodass vorläufige Dokumente beantragt und ausgestellt werden mussten. Ein Merkblatt schickte Dora Philippson mit folgendem Vermerk an die Behörde zurück: »Da trotz meines Judentums und…meiner Anerkennung als rassistisch Verfolgte von Ihnen ein politischer Fragebogen und Entnazisierung gefordert worden ist, füge ich beides … bei. Ich möchte aber mit allem Nachdruck gegen die Anforderung und Form dieser ›Entnazisierung‹ durch deutsche Dienststellen protestieren; eine solche ›Entlastung‹ ist ein bitterer Hohn auf die Verfolgungen und Leiden, die im Namen des deutschen Volkes über mich wie alle meine Glaubensbrüder und -schwestern verfügt worden sind.«
Von November 1945 bis Februar 1946 musste Dora Philippson wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes im Krankenhaus behandelt werden. Danach wurde sie wieder Studienrätin am Clara-Schumann-Gymnasium, konnte aber wegen ihrer geschädigten Gesundheit nicht mehr unterrichten.
Dora Philippson engagierte sich beim Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Bonn und gehörte dem Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit an.
Sie starb am 18. August 1980 im Alter von 84 Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bonn beerdigt. Auf ihrem Grabstein liegt als Gruß ein Stein vom Gelände der Sophie-Scholl-Schule, ihrer ehemaligen Schule, in der ihr Schicksal nicht vergessen ist. Es ist beabsichtigt, für unsere Kolleg*innen, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind, Gedenksteine vor der Schule zu verlegen.