Der Lebensweg des Kurt Aron
Mindestens acht Kolleg*innen der heutigen Sophie-Scholl-Schule wurden im Nationalsozialismus verfolgt. Einer von ihnen war Kurt Aron.
05.12.2019 - Bodo Förster
Kurt Aron wurde am 3. April 1894 in Berlin geboren. Er machte 1912 das Abitur am Askanischen Gymnasium und studierte anschließend in Freiburg, Berlin und München Griechisch, Latein und Geschichte für das Lehramt. Im Jahr 1918 bestand er in Berlin die Staatsprüfung und wurde nach zwei Jahren als Referendar Studienassessor. 1920 legte er in Erlangen seine Dissertation mit dem Titel »Beiträge zu den Persern des Timotheos« vor und gründete im selben Jahr einen Jugendverein für Gartenbau und Landwirtschaft.
Zunächst arbeitete Aron als Erzieher in einem Kinderheim der Jüdischen Gemeinde und trat dann 1932 in das Kollegium der Staatlichen Augusta-Schule in Berlin--Schöneberg ein. Diese wurde von der engagierten Schulleiterin Dr. Mayer--Kulenkampff geleitet, die 1934 den Eid auf Hitler verweigern sollte (siehe bbz 03/18).
Aron war mit Irmgard, geborene Lachenauer, verheiratet, mit der zusammen er zwei Töchter hatte. Irmgard Aron war christlichen Glaubens, sodass ihr Mann in einer sogenannten »privilegierten Misch-ehe« leben konnte. Dennoch wurde Aron mit Ablauf des Schuljahres 1933 aus dem Schuldienst entlassen. Die rechtliche Grundlage dafür war der »Arierparagraph« des kurz zuvor verabschiedeten »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, das es den Nationalsozialisten möglich machte, alle Jüdinnen und Juden aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen.
Nach seiner Entlassung arbeitete Aron zunächst an verschiedenen jüdischen Schulen, versuchte ab 1938 aber auszuwandern. Dies gelang nicht, da kein Staat bereit war ihn aufzunehmen. Also versuchte er so lange wie möglich als Lehrer zu arbeiten, und absolvierte noch einen Kurs zur Ausbildung als Werklehrer, der von der Jüdischen Gemeinde organisiert wurde.
Am 13. August 1942 wurde Arons Mutter Anna Tobia vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert. Als Aron seiner Mutter noch etwas Proviant für die »Reise« mitgeben und von ihr Abschied nehmen wollte, wurde er von einem Gestapo-Mitarbeiter daran gehindert und zum nächsten Morgen in das Judenreferat der Gestapo in der Burgstraße 28 bestellt. Von dort aus wurde die Deportation von rund 55.000 Berliner Jüdinnen und Juden in den Tod organisiert, und hier befand sich auch ein sogenanntes Schutzgefängnis, in dessen Kellern Häftlinge gefoltert und ermordet wurden.
Am 14. August meldete sich Aron wie befohlen bei der Gestapo in der Burgstraße und wurde sofort verhaftet. Als Haftgrund wurde angegeben: »Verstoß gegen Vorschriften«. Er sollte nie mehr zu seiner Familie zurückkehren.
Was die Zeitzeugin Gertrud Kollinsky am 1951 in ihrem Gedächtnis-Protokoll über diesen Ort berichtete, wird den Erfahrungen Arons ähneln: »In Berlin musste sich mein Mann alle 14 Tage bei der Gestapo stellen. Im November 1939 wurde er in das Gestapo-Gebäude […] zur Arbeitsleistung herangezogen, was die Grundlage für seinen frühen Tod bedeutete. Die Arbeitsräume lagen 1 ½ Stock tiefer unter der Erde ohne Tageslicht, wo Ausländer*innen und Juden/Jüdinnen Arbeit verrichten mussten. Die Bezahlung bestand nur aus Verpflegung. Diese »Verpflegung« führte (…) und starb (…).«
Nach vier Monaten Haft wurde Aron am 19. November 1942 in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht und am 27. November 1942 weiter nach Auschwitz deportiert. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 78586 und wurde am 3. Dezember 1942 im Häftlingskrankenbau Block 28 des Stammlagers Auschwitz I ermordet. An diesem Tag wurden insgesamt 64 kranke Häftlinge durch Phenolinjektionen getötet. Die auf den Totenbescheinigungen genannten »Herzlähmungen« waren fingiert.
Arons Frau und seine Kinder überlebten den Krieg. Irmgard Aron wohnte bis zu ihrem Lebensende im Jahre 1992 in Berlin-Steglitz. Die beiden Töchter wanderten nach Schweden aus.
Gew Zeitschrift bbz 12 / 2019